Struwwelpeter soll aus den Kinderstuben verschwinden
Letzte Woche hörte ich während einer Autofahrt im Radio, dass Prof. Dr. Marianne Leuzinger-Bohleber, ihres Zeichens Psychoanalytikerin und Direktorin des Sigmund-Freud-Instituts in Frankfurt, den bekannten Struwwelpeter als für Kinder ungeeignet ansieht. Diese sicherlich den meisten bekannte Geschichte stammt aus dem Jahr 1844 und ist Teil des Werkes Lustigen Geschichten und drolligen Bilder für Kinder von 3 bis 6 Jahren des Frankfurter Psychiaters Heinrich Hoffmann, dessen Geburtstag sich dieses Jahr zum 200. Mal jährt.
Per Internet-Suche habe ich dann den entsprechenden Artikel Hei! Da schreit der Konrad sehr – Der Struwwelpeter: Eine Fundgrube unbewusster Wünsche und Ängste von Kindern aus der Zeitschrift Forschung Frankfurt, Nr. 1 (2009) gefunden. Hier ein Auszug aus dem Fazit des Artikels:
Bilder wie die abgeschnittenen, blutenden Daumen stimulieren die archaische Qualität der Ängste übermäßig, statt sie zu besänftigen. […] Gerade weil sie zentrale unbewusste Fantasien und Ängste mobilisieren, werden die Kinder intensiv emotional angesprochen: Sie identifizieren sich mit den dargestellten Personen wie Konrad, Paulinchen, dem bösen Friederich und dem Struwwelpeter. Die negativen, drastischen Folgen und Strafen, die die Bildfiguren erleben, wirken auf Anhieb und führen zu drastischen Strafängsten, die das Kind dazu bringen, auf die verbotene Triebbefriedigung zu verzichten. Die Strafängste haben eine archaische Qualität: Sie können vom kindlichen Ich nicht ertragen und müssen daher ins Unbewusste verbannt werden […] Angesichts der vielen wunderbaren Kinderbücher, die uns heute zur Verfügung stehen, um Kinder in ihrem Entwicklungsprozess zu unterstützen, ihre kindlich-archaischen Fantasien zu
differenzieren, zu kultivieren und psychisch zu integrieren, ist zu wünschen, dass der Struwwelpeter aus den heutigen Kinderstuben verschwindet und Erwachsenen und ihrem historischen Interesse vorbehalten bleibt.
Ja, ich muss gestehen: auch ich habe mich als Kind bei diesen Geschichten unwohl sowie ängstlich gefühlt und mir die Frage gestellt, ob meine Eltern das auch mit mir anstellen würden. Ob und wie ich mit meinen Eltern das Gespräch hierzu gesucht habe, kann ich heute aber nicht mehr sagen. Ich weiss nur eins: geschadet haben diese Geschichten meiner Psyche nicht!
Ich halte diesen Wunsch von Frau Prof. Dr. Leuzinger-Bohleber, dass der Struwwelpeter aus den Kinderstuben verschwinden soll, einfach nur für unsinnig und vollkommen realitätsfern. Seit über 150 Jahren gehört diese Geschichte zu unserem Kulturgut, genauso wie die Grimms Märchen, in denen u.a. eine Hexe bei lebendigem Leib verbrannt wird. Sollten wir das dann nicht auch gleich noch verbieten? Sicherlich nicht. ich würde mich sogar darüber freuen, wenn mehr Kinder heutzutage mit diesem Märchen und Geschichten gross werden würden, anstelle von der heimischen Flimmerkiste mit Beiträgen ganz anderer Art überflutet zu werden.
Und mich stört eines an dieser Publikation noch mehr: wurde diese etwa durch Steuergelder finanziert? Leider konnte ich das auf der Website des Sigmund-Freud-Instituts nicht in Erfahrung bringen. Natürlich bin ich grundsätzlich dafür, dass Forschungsinstitute Fördermittel aus den öffentlichen Töpfen erhält, aber nicht unbedingt für jede Art der Forschung. Muss man sich mit diesem Thema wirklich beschäftigen? Gibt es nicht wichtigere Themen im Bereich der Kindeserziehung? Ich glaube schon und daher hoffe ich, dass diese Diskussion ganz schnell dahin verschwindet, wo sie hingehört: in der Versenkung!
Geschrieben von Frank-Andre Thies | 0 Kommentare
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