Landtagswahlen Thüringen 2009 – Ergebnis ist eindeutig uneindeutig

Ergebnis Landtagswahl 2009 in Thüringen

Ergebnis Landtagswahl 2009 in Thüringen

Auch wenn die Spitzen von CDU, SPD und Linke es gestern abend anders gesehen und jeweils unterschiedlich kommentiert und bewertet haben, das Ergebnis der Landtagswahl 2009 in Thüringen zeigt meines Erachtens alles andere als einen klaren Wählerauftrag. Positiv ist sicherlich zu werten, dass einerseits die Wahlbeteiligung mit 56,2% leicht oberhalb der Werte von 2004 mit 53,8% liegen und die NPD mit 4,3% ihren Marsch auf den Thüringer Landtag abbrechen musste. Wenigstens diese Katastrophe ist Thüringen erspart geblieben.

Ansonsten sind die Wahlergebnisse alles andere als ein klarer Trend. Während die Thüringer FDP eindeutig zu den Wahlsiegern gezählt werden können, da sie nach 15 Jahren ausserparlamentarischer Opposition mit 7,6% deutlich den Wiedereinzug geschafft hat, konnten die anderen Parteien ihre Ziele nur zum Teil oder gar nicht erreichen: über das Desaster der CDU, die mit 31,2% nicht nur ihre Alleinregierung – wie von allen ausser der CDU-Spitze auch erwartet – verloren hat, sondern mit -11,8% zugleich massiv in der Wählergunst abgestraft worden ist, braucht man sicherlich kaum Worte zu verlieren. Die Frage, ob Dieter Althaus zurücktritt, stellt sich mir gar nicht mehr, nur noch wann er diesen Schritt gehen wird oder muss.

Auch die SPD kann sich im Grunde genommen über den Zuwachs von 4%-Punkten kaum freuen, denn sowohl das Ziel zweitgrösste Fraktion im Thüringer Landtag zu werden, konnte bei weitem nicht erreicht werden, auch die Wahl von Christoph Matschie als nächsten Ministerpräsidenten dürfte nun endgültig vom Tisch sein. Bedauern tue ich das sicherlich nicht. Selbst mit Unterstützung der Grünen, die ebenfalls mit 6,2% den Wiedereinzug geschafft haben, erreicht man nicht die Abgeordnetenzahl der Linken. Nur steht Bodo Ramelow nun vor dem Problem, dass er zwar mit der SPD und den Grünen eine Stimmenmehrheit erreichen könnte, aber zum Ministerpräsidenten wählen will ihn keiner seiner Partner.

Wie geht es nun also weiter? Bis zur Bundestagswahl am 27.09.2009 wird es meiner Meinung nach keine finallen Entscheidungen geben, denn keiner wird vor der Bundestagswahl ein Präjudiz schaffen. Demenstprechend werden wir nun täglich bis wöchentlich mit Wasserstandsmeldungen aus den verschiedenen Sondierungsgesprächen informiert werden. Mehr aber sicherlich nicht. Danach sehe ich aktuell folgende drei mögliche Szenarien:

  1. Die CDU als größte Fraktion schafft es in den Sondierungsgesprächen doch eine Basis für eine Koalition mit der SPD zu legen. Dieter Althaus wird dies als Ergebnis seiner guten Arbeit werten, aber zum Wohle der Thüringer seine Ämter niederlegen, um die Koalition nicht mit den Differenzen über seine Person nicht zu gefährden. Diesem Szenario stufe ich aktuell die höchste Wahrscheinlichkeit ein.
  2. Linke und SPD einigen sich auf eine Koalition ohne die Grünen und Bodo Ramelow wird Ministerpräsident. Sicherlich das schlechtes Szenario für Thüringen, aber auch das unwahrscheinlichste. Denn dann würde die SPD eine Reihe von Mitgliedern verlieren und das kann sich die SPD nicht erlauben.
  3. Linkse, SPD und die Grünen bilden eine Koalition. Da Bodo Ramelow in dieser Konstellation nicht zum Ministerpräsidenten gewählt wird – wenn SPD und die Grünen zu ihren Aussagen vor der Wahl auch wirklich stehen – wird die Linke verlangen, dass auch Christoph Matschie diesen Posten bekommt. Also wird man in den Reihen der SPD einen unbelasteten Kandidaten suchen, so wie den Erfurter Oberbürgermeister Andreas Bausewein. Ob er für das Amt wirklich geeignet ist, lasse ich mal dahingestellt, aber schliesslich braucht man einen Ministerpräsidenten, der an der kurzen Leine der Linken gehalten werden kann.

Die Szenarien 2 oder 3 dürften kaum eine Chance haben, die nächsten fünf Jahre bis zur regulären Landtagswahl 2014, zu überstehen. Ob das überhaupt gewünscht ist, sehe ich derzeit auch nicht. Der Verlieren der gestrigen Wahl steht aber damit dann fest: die Bürgerinnen und Bürger von Thüringen. Es ist die Wahl zwischen erneutem Stillstand oder ideologisch gesprägter Planwirtschaft. Ob das wirklich der Wählerwille war und ist?

Dreiste Wahlwerbung der Thüringer CDU auf Kosten der Steuerzahler?

tollesthueringen Ausgabe 1

tollesthueringen Ausgabe 1

Viele Thüringer Haushalte haben in den letzten Tagen eine neue kostenlose Zeitschrift namens tollesthüringen.de in ihren Briefkästen vorgefunden. Auf dem Titelbild die Ehefrau des Thüringer Ministerpräsidenten, Katharina Althaus, der gleich auch ein sechs (von 42) Seiten langes First-Lady-Interview gewidmet wird. Ein weiteres Interview gibt es mit Prof. Dr. Bernhard Vogel, dem Vorgänger des jetzigen Ministerpräsidenten, Porträts vieler toller Thüringer und der Politikberater Wolfgang Stock analysiert die Konzepte der Parteien für die anstehende Landtagswahl 2009 in Thüringen. Und da es eine kostenlose Zeitschrift ist, gibt es natürlich auch Werbung. Irgendwie muss die Zeitschrift ja finanziert werden.

Was soweit ganz normal und harmlos klingt, wird umso pikanter, je tiefer man ins Detail geht:

  • Nahezu alle vorgestellten Personen sind entweder CDU-Mitglieder oder stehen der CDU nahe. Bis auf ein Interview mit Bodo Ramelow von den Linken ist die Auswahl der Interviewpartner und der tollen Thüringer eindeutig einseitig.
  • Der vorgenannte Politikberater Wolfgang Stock steht u.a der Althaus-Initiative Pro Bürgergeld vor und kommt zu dem Ergebnis, dass nur das Konzept der CDU überzeugt. Den Linken, SPD und Grünen wirft er Dogmatismus und Ideologie vor und die Programmatik der FDP definiert er als inhaltsleer. Auch hier kann man nur Einseitigkeit erkennen.
  • Die Initiatoren hinter der Zeitschrift sind unbekannt und wollen nicht genannt werden.
  • Unter den Werbepartnern ist staatliche Lotto-Gesellschaft zu finden, die mittels einer doppelseitigen Anzeige und sicherlich nicht gerade günstig auf sich aufmerksam macht. Per Gesetz ist die landeseigene Lotto-Gesellschaft parteineutral, Geschäftsführer ist der ehemalige CDU-Landtagsfraktionsvorsitzende Jörg Schwäblein.

Wenn die CDU im Impressum der Zeitschrift erscheinen würde, wäre ja zumindest eindeutig, dass es sich um eine Wahlwerbemaßnahme handelt. Dann wäre jedoch offenkundig, dass die geschaltete Werbung zum Teil einen Verstoß gegen die Regeln der Parteienfinanzierung darstellen könnte.

Unter dem Deckmantel einer neutralen Zeitschrift wird hier am Rande ethischer Grenzen Wahlwerbung betrieben und das ganze auch noch mit Steuermitteln finanziert. Dass Herr Althaus seine absolute Mehrheit im Thüringer Landtag verlieren wird, ist seit Monaten offenkundig. Nun aber scheint ihn und die CDU regelrecht Panik ergriffen zu haben, wenn derartig dreiste Maßnahmen genutzt werden müssen. Laut einer aktuellen Umfrage der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen wird die CDU gerade mal 35% am 30.08.2009 erreichen:

Umfrage vom 21.08.2009 zur Landtagswahl 2009 in Thüringen

Umfrage vom 21.08.2009 zur landtagswahl 2009 in Thüringen


Damit würde selbst der starke Zuwachs der Liberalen nicht ausreichen, eine bürgerliche Koalition zu bilden, wenn die Grünen die 5%-Hürde schaffen. Dementsprechend spannend wird die kommende, letzte Wahlkampfwoche in Thüringen!

Wahlkampf 2009: Grassroots Campaigning

Man lernt ja immer wieder neue, vor allem angelsächsische, Begriffe kennen, zu denen man oftmals zuerst gar keine Assoziation aufbauen kann und man sich fragt, ob man etwas verpasst hat. Mir ging das kürzlich so mit dem Begriff Grassroots Campaigning im Zusammenhang mit der Hessen-Wahl, der anstehenden Bundestagswahl 2009 sowie den verschiedenen Landtagswahlen z.B. in Thüringen. Hintergrund waren die verschiedenen Aktivitäten des Hessischen SPD-Spitzenkandidaten Thorsten Schäfer-Gümbel im Internet und die Feststellung eines Marketing-Spezialisten – den Namen habe ich leider nicht mitbekommen -, dass das Grassroots Campaigning im Wahlkampfjahr 2009 in Deutschland eine stärkere Bedeutung bekommen hat.

Wortwörtlich bedeutet der Begriff Graswurzel-Kampagne und steht – soweit ich das bisher verstehe – für die gezielte Direktansprache (z.B. per SMS, Telefon, eMail, Internet) von potientiellen Unterstützern (z.B. Kunden oder Wählern) mit dem Ziel, diese zu mobilisieren. Also im Rahmen eines Wahlkampfes weg von einer flächendeckenden Wahlkampagne, die mit einer hohen Streubreite alle Bürgerinnen und Bürger zu erreichen, sondern hin zu fokussierten Aktionen, die speziell diejenigen Wählerschichten erreicht, bei denen man von einer hohen Interessensidentität ausgeht. Während in den USA diese Art der Kampagnenführung bereits seit Jahren etabliert ist, rückt dieses Thema in Deutschland erst langsam in den Fokus.

Gerade die Möglichkeiten des Internets – Schlagwort web 2.0 – ermöglichen es, schnell und relativ einfach solche Kampagnen anzustossen. Thorsten Schäfer-Gümbel z.B. nutzte sehr intensiv den Mikroblog-Dienst Twitter während der Hessen-Wahl und konnte dadurch wohl seinen Bekanntheitsgrad gerade bei jüngeren Wählern erhöhen. Aber auch andere Web-Plattformen wie YouTube werden zunehmend von Deutschen Politikern für die Aussendarstellung genutzt. Eine sehr interessante Studie hierzu habe ich bei netzpolitik.org gefunden: 3. Kurzstudie: Politik im Web 2.0 – Zwischen Strategie und Experiment. Seit Sommer 2008 werden dort alle drei Monate das Engagement der Parteien im Bereich Social Web analysiert. Welche Plattformen werden verstärkt genutzt, welche Parteien sind wie aktiv. Und es sieht danach aus, dass es deutliche Unterschiede gibt. Gerade die „kleineren“ Parteien scheinen hierauf mehr Fokus zu legen, als die etablierten Parteien.

Mein Fazit ist, dass wir 2009 deutlich mehr politische Maßnahmen jenseits der klassischen Wahlplakate und TV-Diskussionsrunden erleben werden. Im Grunde genommen eine konsequente Entwicklung, da die Möglichkeiten des Internets als Informationsplattform immer noch nicht vollständig ausgereizt werden. Große Wählerbewegungen wird man damit zwar sicherlich nicht erreichen können, die teilweise knappen Ergebnisse bei den jüngsten Wahlen haben gezeigt, dass die Parteien um jede Stimme werben müssen.

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