Mehdorn pocht auf Vertragserfüllung

Ein Nachfolger für den scheidenden Deutsche Bahn Chef Hartmut Mehdorn war mit der Person des Daimler-Managers Rüdiger Grube schneller als gedacht gefunden und alles schien darauf hinzudeuten, dass die Bahn nunmehr langsam aus den Schlagzeilen kommen würde. Weit gefehlt! Denn Herr Mehdorn steht erneut im Feuer der Kritik. Hintergrund sind seine Forderungen nach der vollständigen, finanziellen Erfüllung seines bis Mai 2011 laufenden Vertrages, was de facto eine Abfindung in noch unbekannter Millionenhöhe bedeutet. Ansonsten müsste er rechtliche Schritte einleiten. Schnell wird daraus eine öffentliche Brandmarkung und vor allem die Gewerkschaften reagieren empört.

Was hierbei – erneut – nicht unterschieden wird, ist der Unterschied zwischen rechtlichen und moralischen Konsequenzen. Letzteres zu fordern, ist jedermanns Recht. Die rechtlichen Fragen müssen aber erst noch geklärt werden. In einem Rechtsstaat – und darauf sollten wir stolz sein – müssen Verträge nach dem Grundsatz pacta sunt servanda erfüllt werden. Und damit hat Herr Mehdorn trotz aller Anfeindungen wie jeder andere Bundesbürger das Recht, zur Klärung im Zweifelsfall von Gericht zu ziehen. Denn nur dort kann ein rechtsstaatliches Urteil auf Basis aller beweisbaren Tatbestände erfolgen. Und derzeit stehen Behauptungen u.a. aus der Daten-Affäre im Raum, die erst noch bewiesen werden müssen.

Ob das potentielle Urteil im persönlichen Empfinden aller Bürgerinnen und Bürger am Ende gerecht ist, bleibt offen. Sollte Hartmut Mehdorn kein Fehlverhalten nachzuweisen sein, dürfte es aus meiner Sicht schwierig werden, ihm die vertraglich zugesichteren Zahlungen zu verweigern. Gerade die Gewerkschaften sollten das wissen, sitzen deren Vertreter doch auch im Aufsichtsrat des Staatsunternehmens und dieser Aufsichtsrat hat schliesslich den Vertrag mit Hartmut Mehdorn entschieden. Populismus ist in Deutschland mal wieder en vogue, verantwortungsvolles Handeln sieht anders aus: zunächst muss eine Klärung der im Raum stehenden Vorwürfe erfolgen und dann kann entschieden werden, ob die Einhaltung des Arbeitsvertrages wirklich notwendig ist!

Deutsche Bahn-Chef zieht die Konsquenzen

Es waren dann doch wohl ein paar Affären zuviel, die dafür sorgten, dass die Deutsche Bahn AG nicht mehr aus den Schlagzeilen kam. Mit jedem Tag wurden neue, noch pikantere Details der Datenaffäre innerhalb des Staatsunternehmens veröffentlicht und der Druck auf Bahnchef Hartmut Mehdorn wurde immer stärker. Nachdem zuletzt auch der bundesdeutsche Politikkader immer seltener ihre Unterstützung demonstrierte, übernahm Mehdorn – endlich – die Verantwortung und bot seinen Rücktritt an:

Meine Damen und Herren, wir befinden uns derzeit am Beginn einer schweren, weltweiten Wirtschaftskrise, die auch für die DB AG und ihre Mitarbeiter gravierende Auswirkungen haben wird. […] Es ist für mich sehr bedrückend, dass sich Eigentümer, Mitarbeiter und Management, jetzt nicht mit aller Kraft auf die Lösung der sich daraus ergebenden Probleme konzentrieren können. Unsere Arbeit der letzten Jahre hat bewiesen, dass dieser Vorstand das Unternehmen und sein Geschäft versteht und deshalb gerade jetzt zur Gestaltung und Zukunftssicherung in schwierigen Zeiten gefragt ist. […] Keine Frage, ein Führungswechsel ist in solch schwieriger Lage nicht ohne zusätzliches Risiko. Aber das – meine Damen und Herren – müssen andere verantworten. Ich habe dem Aufsichtsratsvorsitzenden daher die Auflösung meines Vertrages angeboten.

Unabhängig davon, dass der Bahnchef weiterhin jede persönliche Schuld von sich weist und auch wenn er in seinen 15 Jahren als Chef der Bahn sicherlich eine weitestgehend erfolgreiche Arbeit gelesitet hat, als Vorstandsvorsitzender ist er aus meiner Sicht durch seine Position verantwortlich für das, was in seinem Unternehmen passiert. Und die Details der Daten-Affäre sind so pikant und unvertretbar, dass dieser Rücktritt zum Schutz der Deutsche Bahn AG notwendig war.

Die Auswirkungen aber können verherrend sein. Nun muss die Bundesregierung hastig einen neuen Bahn-Chef suchen und schon zeigt die Große Koalition erneut, wie uneinig sie doch ist. Während die SPD erneut eine gemeinsame Führung sowohl der Holding der Deutsche Bahn AG und der zur Privatisierung anstehenden DB Mobility Logistics fordert, präferiert die CDU dagegen eine Doppelspitze. Und da parallel auch der Finanzvorstand Diethelm Sack das Unternehmen verlassen wird, wird die Suche nach potentiellen Nachfolgern sowieso nicht einfach. Wer besitzt einerseits den notwendigen fachlichen Background, ein Unternehmen dieser Größenordnung zu führen und schafft es andererseits, sich gegen die viele Mitsprachewünsche der Politik durchzusetzen? Man kann schon fast behaupten, dass der Posten des Vorstandsvorsitzenden schnell zu einem Schleudersitz werden kann.

Denn gerade der hohe Einfluss der Politik kann sich in einer der Kernthemen der Bahn zu einem Bumerang entwickeln: wie bitte soll man potenziellen Investoren überzeugen, sich an der anstehenden Teilprivatisierung zu beteiligen, wenn es die Mitsprache deutlich eingeschränkt ist? Aus Sicht von Bankenkreisen ist eine Öffnung für private Anteilseigner unter Umständen für Jahre unmöglich. Es bleibt abzuwarten, inwiefern der laufende und für die Sanierung notwendige Wandlungsprozess von einem Staatsunternehmen zum Dienstleister dadurch zurückgeworfen wird. Vor allem Provinzpolitiker, denen die Privatisierungspläne von Anfang an ein Dorn im Auge waren, werden nun am lautesten jubeln. Hoffetlich bleibt ihnen dieses Lachen schon bald in der Kehle stecken.

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