Neuerungen im BKA-Gesetz seit einem Jahr nicht genutzt

Ende 2008 wurden Änderungen im sogenannten BKA-Gesetz – die komplette Bezeichnung lautet im übrigen Gesetz über das Bundeskriminalamt und die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten – beschlossen, die schon um Vorfeld mehr als nur umstritten waren: das BKA kann seitdem Privat-Wohnungen mit Wanzen und Video-Kameras überwachen und Computer online durchsuchen. Mehrere Personen, darunter die bekannte Journalistin Bettina Winsemann und der ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) haben daraufhin 2009 Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz eingereicht, da das Bundeskriminalamt damit die Möglichkeit zugestanden bekommen hat – analog dem Verfassungsschutz und dem Bundesnachrichtendienst -, zu ermitteln, bevor überhaupt eine Straftat begangen wurde. Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes steht noch aus.

Interessanterweise habe ich heute morgen im Radion auf der Fahrt zur Arbeit gehört, dass die Neuerungen des Gesetzes kein einziges Mal seit Ende 2008 angewendet wurden! Dabei war diese Gesetzes-Änderung doch laut dem seinerzeitigen Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble so wichtig gewesen:

Das Gesetz sei ein „wichtiger Baustein in der Sicherheitsarchitektur der Bundesrepublik Deutschland“, sagte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble nach der Kabinettssitzung. Die Regierung schaffe damit die „erforderlichen Befugnisse des Bundeskriminalamtes im Kampf gegen den internationalen Terrorismus“. Erstmals erhalte das BKA eine eigene Befugnis zur Gefahrenabwehr.

Nun könnte man zur Annahme kommen, dass die Gesetzesänderung deswegen keine Anwendung findet, weil das BKA davon ausgeht, dass das BVG diese Änderung kippen wird. Aber das wäre sicherlich schon arg ketzerisch. Berechtigt ist für mich aber die Frage, ob diese Gesetzesänderung wirklich so dringend benötigt wurde, wenn sie praktisch gar nicht genutzt wird …

Schweizer fürchten Minarette

Der Schweizer Volksentscheid zur Anti-Minarett-Initiative, die von zwei rechtspopulistischen Parteien betrieben wurde, hat europaweit eine breite Diskussion über Religionsfreiheit und Islamfeindlichkeit ausgelöst. Nachdem sich mehr als 57% der Schweizer, die an dem Entscheid teilgenommen haben, gegen den Bau von weiteren Minaretten ausgesprochen haben, spüren Rechtspopulisten einerseits Rückenwind, andererseits wird die Frage aufgeworfen, ob diese Votum auch hierzulande getroffen werden würde. Ich befürchte ja! Meines Erachtens zeigt dieser Volksentscheid ganz klar auf, wie gefährlich das eigentlich sinnvolle Mittel der Volksbefragung sein kann und warum ich persönlich gegen Volksbefragungen auf Bundesebene bin.

Das wesentliche Grundproblem einer Volksbefragung ist die Minimalisierung eines komplexen Themas auf eine einfach strukturierte Frage. Grundsätzlich bin ich für den Bau von Minaretten, den wenn ein Staat Religionsfreiheit, was eine der wesentlichen Grundfreiheiten ist, gewährt, dann muss man auch tolerieren können, dass Gläubige sich hierfür den entsprechenden Versammlungsort schaffen. Aber natürlich gibt es im Einzelfall auch gute Gründe, warum der geplante Ort für den Bau einer Minarette ggf. nicht geeignet ist. Diese Einzelfallentscheidung läßt sich nicht in eine allgemeine Volksbefragung pressen.

Ausserdem ist es immer dann besonders gefährlich, wenn Ängste instrumentalisiert werden können. In breiten Teilen der Bevölkerung wird der Islam auf den terroristischen Teil reduziert, was einem Großteil der gläubigen Muslimen bei weitem nicht gerecht wird. Solange diese Ängste von der Politik nicht ernst genommen werden und dieses Problem nicht nachhaltig angegangen wird, kann aus Angst Hass werden. Und die Tendenzen in Deutschland deuten eher auf eine Zunahme der Angst vor fremden Kulturen und Religionen hin. Um mit den Worten von Karl Heinz Deschner, einem der bedeutesten deutschen Kirchen- und Christentumskritiker des 20. Jahrhunderts zu sprechen:

Denken überzeugt Denkende, darum überzeugt Denken selten.

Verbote haben noch nie geholfen, Vertrauen aufzubauen und wenn es um Menschenrechte geht, darf nicht Angst Grundlage für Entscheidungen sein. Die Schweiz hat gezeigt, wie es nicht laufen darf. Die Presse hat das verstanden, aber auch das Volk in seiner gesamten Breite?

GM verkauft Opel nicht

Nun ist die Katze also aus dem Sack! Nach monatelangen Verhandlungen hat heute Nacht der US-Automobilkonzern General Motors den vielerorts an sicher geltenden Verkauf von Opel an Automobilzulieferer Magna abgesagt und plant nun selber das Europageschäft zu sanieren. Dass man damit eine Reihe von europäischen und deutschen Politikern, allen voran unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel, brüskiert, die nahezu durchweg nur den Verkauf von Opel an Magna als sinnhafte Lösung angesehen und während der Wahlkampfphase laut propagiert haben, wird in Kauf genommen. Doch kommt diese Entscheidung wirklich so unerwartet?

Ich glaube nicht. Schliesslich war von Anfang an bekannt, dass mit dem Verkauf von Opel nicht nur der Zugriff von GM auf wichtige moderne Technologien und der Zugang zum europäischen Markt verloren geht, sondern diese Assets eventuell von russischen Wettbewerbern für deren Stärkung der Marktpositionierung genutzt werden könnte, was langfristig negative Folgen für GM hätte. Dazu kommt, dass der Opel-Käufer Magna nicht unbedingt der erhoffte weisse Ritter ist, wie Opel-Treuhandmitglied Dirk Pfeil nochmal bestätigt hat und daher die Entscheidung von GM sogar begrüsst hat:

Magna wäre mit der Opel Übernahme „glatt überfordert“ gewesen.

Im Grunde dürfen sich m.E. die damaligen Regierungsmitglieder von CDU/CSU und SPD gar nicht so stark aufregen, schliesslich haben diese indirekt sogar aktiv diese Entscheidung unterstützt: Opel gehört zu den größten Nutzniessern der deutschen Kfz-Abwrackprämie und konnte ihre wirtschaftliche Lage – zumindest temporär – verbessern. Jammern ist aber auch aus einem anderem Grund fehl am Platz: ob es sich wirklich um einen schwarzen Tag für Opel handelt, wie Betriebsratschef Klaus Franz heute sagte, hängt sehr stark auch von der bundesdeutschen Regierung und den betroffenen Bundesländern ab. Opel ist weiterhin ein Sanierungsfall und schmerzhafte Einschnitte werden notwendig sein, um ein tragfähiges Konzept umsetzen zu können. Wie stark die deutschen Standorte hiervon betroffen sein werden, bleibt abzuwarten. Aber es muss Lösungen geben, die weder den deutschen Steuerzahler einseitig belasten noch die Opel-Arbeitnehmer im Regen stehen lässt. Und das wird ein gewaltiger Spagat werden. Gut, dass der Wahlkampf vorbei ist.

Löschen statt Sperren – FDP setzt sich durch

Auch wenn die Koalitionsverhandlungen in Berlin zwischen CDU/CSU und FDP bei weitem noch nicht abgeschlossen sind, so gibt es laut Agenturmeldungen zumindest im Bereich der Inneren Sicherheit Einigkeit was die wichtigen Themenbereiche Online-Durchsuchungen, Vorratsdatenspeicherung und Internetsperren betrifft. Und wie es sich laut Inforamtionen von Heise (Internetsperren sind vorerst vom Koalitionstisch / Koalitionsvereinbarung: Web-Sperren weg, Vorratsdatenspeicherung eingeschränkt) zeigt, konnte die FDP hier deutlich mehr Schwerpunkte setzen:

So wird die Online-Durchsuchung zukünftig nur noch auf Antrag der Bundesanwaltschaft möglich sein und darf auch weiterhin nur durch das BKA vorgenommen werden. Eine Ausweitung auf andere Behörden wie der Bundesverfassungsschutz sind damit vom Tisch. Bei der Vorratsdatenspeicherung soll die Nutzung der Daten weiter eingeschränkt werden und nur in besonders schweren Fällen genutzt werden kann. Auch eine Aussetzung der Vorratsdatenspeicherung bis zur endgültigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes wird nicht ausgeschlossen. Ausgesetzt werden kann diese Form der Überwachung derzeit nicht, da es sich um ein europäisches Gesetz handelt.

Besonders freut es mich natürlich, dass die umstrittenen Internetsperren gestoppt wurden. Das entsprechende Gesetz, dass noch von der Großen Koalition auf den Weg gebracht wurde, wird zunächst für ein Jahr ausgesetzt, damit sich in dieser Zeit das BKA nach dem Motto Löschen statt Sperren verstärkt um den Ausbau der internationalen Zusammenarbeit zum Löschen dieser Inhalte kümmern kann. Die Weitergabe von Sperrlisten an die Zugangsanbieter wird während dieser Zeit nicht stattfinden. Nach Ablauf des Jahres sollen die Ergebnisse dieser Maßnahmen ausgewertet werden, um dann eine endgültige Entscheidung zu treffen.

Sicherlich wäre auch für mich eine komplette Gesetzesrücknahme noch besser gewesen, aber Koalitionsverhandlungen sind nunmal grundsätzlich von Kompromissen geprägt und niemand wird 100% seiner Vorstellungen durchsetzen können. Viel wichtiger ist für mich das Ziel:

Für die Liberalen handelt es sich dabei um eine Lösung, die es der Union beim Abschied vom Web-Sperren ermöglicht, das Gesicht zu wahren. Man werde nach Ablauf der Frist darauf drängen, das Zugangserschwerungsgesetz komplett aufzuheben.

Die Verhandlungsführerin der Liberalen in der Arbeitsgruppe, die bayerische FDP-Vorsitzende Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, ergänzte, dass „kinderpornographische Abbildungen und Texte aus dem Netz entfernt“ werden müssten. Das Internet sei schließlich kein „rechtsfreier Raum“. Konkret setzen die Liberalen vor allem auf die Internetwirtschaft und die Verbesserung von Hotlines zum Löschen illegaler Inhalte wie INHOPE, dass das BKA auf dem kleinen Dienstweg über eine direkte Ansprache von Providern ohne den Umweg über ausländische Polizeibehörden mehr zum Entfernen kinderpornographischer Angebote aus dem Netz beitragen könnte.

In einem Jahr wird sich die FDP genau daran messen lassen müssen und ich glaube nicht, dass irgendjemand in der Parteizentrale davon ausgeht, dass dies bis dahin vergessen sein wird. Dafür wird das Web schon sorgen!

Kommt die digitale Todesstrafe?

Markus Beckedahl von netzpolitik.org hat seinen neuesten wöchentlicher Kommentar im Zeit.de-Blog Kulturkampf und versucht mit der Frage Wollen wir die digitale Todesstrafe? einen wichtigen Teilaspekt bei der Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen im Internet in die öffentliche Diskussion zu bringen: ist das Kappen des Internetzugangs als Strafandrohung sinnvoll?

Die Digitalisierung stellt das traditionelle Urheberrecht vor eine große Herausforderung. Seit Jahren tobt daher ein politischer Krieg um die richtigen Rahmenbedingungen. Zehn Jahre nach Start der ersten Tauschbörse Napster ist immer noch keine Lösung in Sicht.

Konkreter Hintergrund ist der Beschluß des Französischen Parlaments, dass Richter Internetnutzern, die wiederholt gegen das Urheberrecht verstoßen, den Internet-Anschluss für bis zu einem Jahr sperren können (HADOPI 2 Gesetz). Im Fokus der Fahndung stehen dabei vor allem Nutzer von Tauschbörsen. Auch in UK ist ein analoges Gesetz in der Planung, in Deutschland hatte sich die CDU im Bundestagswahlkampf zunächst ähnliche Forderungen aufgestellt, aufgrund der öffentlichen Kritik hiervon zunächst wieder Abstand genommen.

Das Fazit von Markus Beckedahl ist eindeutig:

Die Forderung, Tauschbörsennutzern das Internet zu sperren, ist irrsinnig, unverhältnismässig und unvernünftig. Und darüber hinaus gibt es zahlreiche ungelöste Problemstellungen […] Im Jahre 2009 vom Internet ausgeschlossen zu werden, kommt einer digitalen Todesstrafe gleich. Vernünftiger wäre es, neue Technologien und den medialen Wandel zu umarmen und innovative Geschäftsmodelle dafür zu entwickeln.

Viel zu viele Fragen sind bei diesem Vorgehen offen, wie z.B. mit dem Problem umgegangen wird, dass Anschlussinhaber und Rechtsverletzter ja nicht zwingend dieselbe Person sein müssen. Auch stellt sich mir die Frage, welches Recht wichtiger ist: das Zugangrecht zum Internet oder das Urheberrecht? Einfache Lösungen greifen hier meines Erachtens nicht, dass haben bereits die populistischen Killerspiel-Verbote und Internet-Sperrlisten gezeigt. Da aber die Generation Internet bisher nur unterdurchschnittlich in der Politik vertreten ist, besteht erneut die grosse Gefahr, dass Gesetze auf den Weg gebracht werden, die genau das Gegenteil des Gewünschten erreichen: die Straftäter, die im grossen Stil Raubkopien anfertigen, finden schnell Lösungen und schlüpfen durch die Maschen!

ZDF-Wahlforum: Zensur im Internet?

Gestern abend lief im ZDF die Sendung Wahlforum, an der u.a. Ursula von der Leyen (CDU), Sigmar Gabriel (SPD), Dirk Niebel (FDP) und Cem Özdemir (Grüne) teilgenommen haben. Im Verlauf der Sendung kam auch das Thema Zensur im Internet? zur Sprache, wer die Sendung nicht sehen konnte, kann den Teil inzwischen auch bei YouTube anschauen:

Was war das denn? Frau von der Leyen konnte hier – massiv unterstützt von den offenkundig überforderten Moderatoren – erneut ihre faktenlose und auf den Bauch der Zuschauer fokussierte Pseudoargumentation vortragen, ohne dass hier auf einem journalistisch adäquaten Niveau die Basis dieser angeblichen Argumente von Zensursula auch nur ansatzweise hinterfragt wurden! Wo waren die Fragen nach den angeblichen Staaten, in denen Kinderpornographie erlaubt sind? Wo war der Hinweis, dass die Sperrlisten dem Abdecken von Mordopfern entspricht, anstelle nach dem Mörder zu fahnden? Fehlanzeige!!! Die Versuche von Cem Özdemir, hier qualitativ zu diskutieren, wurden einfach übergangen und Dirk Niebel – was mich wirklich enttäuscht hat – versuchte gar nicht erst, hier entgegen zu halten.

Auf internet-law.de gibt es unter der Überschrift Die falschen Propheten der Mediendemokratie einen empfehlenswerten und treffenden Kommentar, der mit folgendem Schluss endet:

In so einer Runde wäre es vermutlich auch sinnvoll gewesen, nochmals deutlich zu machen, dass dieses Vorhaben ungeeignet ist auch nur ein einziges Kind zu schützen, sondern, dass der Staat ganz im Gegenteil Wegweiser für Pädophile aufstellt, die ihnen das Auffinden solcher Inhalte noch erleichtert. […] Dem Saalpublikum dürfte deshalb, wie vielen Menschen da draußen, auch nicht bewusst gewesen sein, dass sie mit Ursula von der Leyen einer falschen Prophetin Beifall gespendet haben.

Landtagswahlen Thüringen 2009 – Ergebnis ist eindeutig uneindeutig

Ergebnis Landtagswahl 2009 in Thüringen

Ergebnis Landtagswahl 2009 in Thüringen

Auch wenn die Spitzen von CDU, SPD und Linke es gestern abend anders gesehen und jeweils unterschiedlich kommentiert und bewertet haben, das Ergebnis der Landtagswahl 2009 in Thüringen zeigt meines Erachtens alles andere als einen klaren Wählerauftrag. Positiv ist sicherlich zu werten, dass einerseits die Wahlbeteiligung mit 56,2% leicht oberhalb der Werte von 2004 mit 53,8% liegen und die NPD mit 4,3% ihren Marsch auf den Thüringer Landtag abbrechen musste. Wenigstens diese Katastrophe ist Thüringen erspart geblieben.

Ansonsten sind die Wahlergebnisse alles andere als ein klarer Trend. Während die Thüringer FDP eindeutig zu den Wahlsiegern gezählt werden können, da sie nach 15 Jahren ausserparlamentarischer Opposition mit 7,6% deutlich den Wiedereinzug geschafft hat, konnten die anderen Parteien ihre Ziele nur zum Teil oder gar nicht erreichen: über das Desaster der CDU, die mit 31,2% nicht nur ihre Alleinregierung – wie von allen ausser der CDU-Spitze auch erwartet – verloren hat, sondern mit -11,8% zugleich massiv in der Wählergunst abgestraft worden ist, braucht man sicherlich kaum Worte zu verlieren. Die Frage, ob Dieter Althaus zurücktritt, stellt sich mir gar nicht mehr, nur noch wann er diesen Schritt gehen wird oder muss.

Auch die SPD kann sich im Grunde genommen über den Zuwachs von 4%-Punkten kaum freuen, denn sowohl das Ziel zweitgrösste Fraktion im Thüringer Landtag zu werden, konnte bei weitem nicht erreicht werden, auch die Wahl von Christoph Matschie als nächsten Ministerpräsidenten dürfte nun endgültig vom Tisch sein. Bedauern tue ich das sicherlich nicht. Selbst mit Unterstützung der Grünen, die ebenfalls mit 6,2% den Wiedereinzug geschafft haben, erreicht man nicht die Abgeordnetenzahl der Linken. Nur steht Bodo Ramelow nun vor dem Problem, dass er zwar mit der SPD und den Grünen eine Stimmenmehrheit erreichen könnte, aber zum Ministerpräsidenten wählen will ihn keiner seiner Partner.

Wie geht es nun also weiter? Bis zur Bundestagswahl am 27.09.2009 wird es meiner Meinung nach keine finallen Entscheidungen geben, denn keiner wird vor der Bundestagswahl ein Präjudiz schaffen. Demenstprechend werden wir nun täglich bis wöchentlich mit Wasserstandsmeldungen aus den verschiedenen Sondierungsgesprächen informiert werden. Mehr aber sicherlich nicht. Danach sehe ich aktuell folgende drei mögliche Szenarien:

  1. Die CDU als größte Fraktion schafft es in den Sondierungsgesprächen doch eine Basis für eine Koalition mit der SPD zu legen. Dieter Althaus wird dies als Ergebnis seiner guten Arbeit werten, aber zum Wohle der Thüringer seine Ämter niederlegen, um die Koalition nicht mit den Differenzen über seine Person nicht zu gefährden. Diesem Szenario stufe ich aktuell die höchste Wahrscheinlichkeit ein.
  2. Linke und SPD einigen sich auf eine Koalition ohne die Grünen und Bodo Ramelow wird Ministerpräsident. Sicherlich das schlechtes Szenario für Thüringen, aber auch das unwahrscheinlichste. Denn dann würde die SPD eine Reihe von Mitgliedern verlieren und das kann sich die SPD nicht erlauben.
  3. Linkse, SPD und die Grünen bilden eine Koalition. Da Bodo Ramelow in dieser Konstellation nicht zum Ministerpräsidenten gewählt wird – wenn SPD und die Grünen zu ihren Aussagen vor der Wahl auch wirklich stehen – wird die Linke verlangen, dass auch Christoph Matschie diesen Posten bekommt. Also wird man in den Reihen der SPD einen unbelasteten Kandidaten suchen, so wie den Erfurter Oberbürgermeister Andreas Bausewein. Ob er für das Amt wirklich geeignet ist, lasse ich mal dahingestellt, aber schliesslich braucht man einen Ministerpräsidenten, der an der kurzen Leine der Linken gehalten werden kann.

Die Szenarien 2 oder 3 dürften kaum eine Chance haben, die nächsten fünf Jahre bis zur regulären Landtagswahl 2014, zu überstehen. Ob das überhaupt gewünscht ist, sehe ich derzeit auch nicht. Der Verlieren der gestrigen Wahl steht aber damit dann fest: die Bürgerinnen und Bürger von Thüringen. Es ist die Wahl zwischen erneutem Stillstand oder ideologisch gesprägter Planwirtschaft. Ob das wirklich der Wählerwille war und ist?

Dreiste Wahlwerbung der Thüringer CDU auf Kosten der Steuerzahler?

tollesthueringen Ausgabe 1

tollesthueringen Ausgabe 1

Viele Thüringer Haushalte haben in den letzten Tagen eine neue kostenlose Zeitschrift namens tollesthüringen.de in ihren Briefkästen vorgefunden. Auf dem Titelbild die Ehefrau des Thüringer Ministerpräsidenten, Katharina Althaus, der gleich auch ein sechs (von 42) Seiten langes First-Lady-Interview gewidmet wird. Ein weiteres Interview gibt es mit Prof. Dr. Bernhard Vogel, dem Vorgänger des jetzigen Ministerpräsidenten, Porträts vieler toller Thüringer und der Politikberater Wolfgang Stock analysiert die Konzepte der Parteien für die anstehende Landtagswahl 2009 in Thüringen. Und da es eine kostenlose Zeitschrift ist, gibt es natürlich auch Werbung. Irgendwie muss die Zeitschrift ja finanziert werden.

Was soweit ganz normal und harmlos klingt, wird umso pikanter, je tiefer man ins Detail geht:

  • Nahezu alle vorgestellten Personen sind entweder CDU-Mitglieder oder stehen der CDU nahe. Bis auf ein Interview mit Bodo Ramelow von den Linken ist die Auswahl der Interviewpartner und der tollen Thüringer eindeutig einseitig.
  • Der vorgenannte Politikberater Wolfgang Stock steht u.a der Althaus-Initiative Pro Bürgergeld vor und kommt zu dem Ergebnis, dass nur das Konzept der CDU überzeugt. Den Linken, SPD und Grünen wirft er Dogmatismus und Ideologie vor und die Programmatik der FDP definiert er als inhaltsleer. Auch hier kann man nur Einseitigkeit erkennen.
  • Die Initiatoren hinter der Zeitschrift sind unbekannt und wollen nicht genannt werden.
  • Unter den Werbepartnern ist staatliche Lotto-Gesellschaft zu finden, die mittels einer doppelseitigen Anzeige und sicherlich nicht gerade günstig auf sich aufmerksam macht. Per Gesetz ist die landeseigene Lotto-Gesellschaft parteineutral, Geschäftsführer ist der ehemalige CDU-Landtagsfraktionsvorsitzende Jörg Schwäblein.

Wenn die CDU im Impressum der Zeitschrift erscheinen würde, wäre ja zumindest eindeutig, dass es sich um eine Wahlwerbemaßnahme handelt. Dann wäre jedoch offenkundig, dass die geschaltete Werbung zum Teil einen Verstoß gegen die Regeln der Parteienfinanzierung darstellen könnte.

Unter dem Deckmantel einer neutralen Zeitschrift wird hier am Rande ethischer Grenzen Wahlwerbung betrieben und das ganze auch noch mit Steuermitteln finanziert. Dass Herr Althaus seine absolute Mehrheit im Thüringer Landtag verlieren wird, ist seit Monaten offenkundig. Nun aber scheint ihn und die CDU regelrecht Panik ergriffen zu haben, wenn derartig dreiste Maßnahmen genutzt werden müssen. Laut einer aktuellen Umfrage der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen wird die CDU gerade mal 35% am 30.08.2009 erreichen:

Umfrage vom 21.08.2009 zur Landtagswahl 2009 in Thüringen

Umfrage vom 21.08.2009 zur landtagswahl 2009 in Thüringen


Damit würde selbst der starke Zuwachs der Liberalen nicht ausreichen, eine bürgerliche Koalition zu bilden, wenn die Grünen die 5%-Hürde schaffen. Dementsprechend spannend wird die kommende, letzte Wahlkampfwoche in Thüringen!

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